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Wem gehört der Himmel? Zum Starlink-Satellitennetzwerk-Projekt

Am 18. April 2020 ging ich auf meine Terrasse und erblickte einen klaren Himmel voller Sterne. Dann sah ich plötzlich einen weißen leuchtenden Punkt, der sich bewegte. Ich dachte, es wäre ein Flugzeug. Aber nach einer Weile kam ein weiterer auf genau derselben Laufbahn, bald darauf ein dritter und so weiter, bis lauter weiße, leuchtende Punkte in regelmäßigen Abständen über den ganzen Himmel zu sehen waren, die sich wie in einer langen Kette bewegten! Nach ein wenig Recherche war mir klar, dass es sich um die Starlink-Satelliten handeln musste. Mittlerweile haben viele Menschen die Satelliten gesehen und man kann diese auf der Starlink-Webseite verfolgen.

Starlink ist ein vom US-Raumfahrtunternehmen SpaceX unter Elon Musk und Gwynne Shotwell geplantes weltumspannendes Satellitennetzwerkprojekt, das ab Mitte 2020 in den USA Zugang zum Internet bieten soll, 2021 dann einen fast weltweiten Zugang. (2) Durch das System soll Hochgeschwindigkeitsinternet zur Verfügung gestellt werden.

Aus der Starlink Webseite: «SpaceX nutzt seine Erfahrung, um im Bau von Raketen und Raumfahrzeugen das weltweit fortschrittlichste Breitband-Internet-System einzusetzen. Mit einer Leistung, die die des traditionellen Satelliten-Internets bei weitem übertrifft und einem globalen Netzwerk, das nicht durch Beschränkungen der Bodeninfrastruktur eingeschränkt ist, wird Starlink Hochgeschwindigkeits-Breitband-Internet an Orten bereitstellen, an denen der Zugang bisher unzuverlässig, teuer oder gar nicht verfügbar war.»(3)

Starlink-Mission

«SpaceX hat Starlink entwickelt, um Endbenutzer mit Breitbanddiensten mit niedriger Latenz und hoher Bandbreite zu verbinden, indem es eine kontinuierliche Abde- ckung der ganzen Welt durch ein Netzwerk von Tausenden von Satelliten in niedriger Erdumlaufbahn bietet […] um den Bedürfnissen der Verbraucher auf der ganzen Welt gerecht zu werden. Starlink wird schnelles, zuverlässiges Internet für Bevölkerungsgruppen mit geringer oder keiner Konnektivität zur Verfügung stellen, auch in ländlichen Gemeinden und an Orten, wo die bestehenden Dienste zu teuer oder unzuverlässig sind.» (4)

Was ist besonders an diesen Satelliten? Die Starlink Satelliten umkreisen die Erde in einer viel niedrigeren Umlaufbahn, als das bislang bei Satelliten üblich war – nämlich in 550 Kilometer Höhe. Bisherige Satelliten umkreisen die Erde in einer Entfernung von mehr als 35.000 Kilometern. Internet-Telefonie oder Online-Spiele funktionieren damit nicht, weil das Signal zu lange unterwegs ist.

Im Januar 2015 beteiligten sich die amerikanischen Unternehmen Fidelity Investments und Google mit zusammen rund einer Milliarde US-Dollar an SpaceX. Sie hielten da- mit 8,3 % des Unternehmens. Es wurde angenommen, dass sich Google für den neuen Plan von SpaceX interessierte, um ein Netzwerk von Satelliten zur Internetversorgung aufzubauen. Die Ausführung soll 10 Milliarden US-Dollar kosten und rund fünf Jahre dauern. (5) Im November 2016 reichte das Unternehmen erste Pläne für solch ein Konzept bei der US-Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC) ein und erhielt die Genehmigungen der US-Behörde für eine Gesamtzahl von 12.000 Satelliten (bislang kreisten insgesamt „nur“ rund 2.500 Satel- liten um die Erde.) Im Oktober 2019 reichte SpaceX bei der International Telecommunication Union (ITU) einer Behörde der Vereinten Nationen, die sich um die erforderlichen Frequenzen kümmert, Anträge für weitere 30.000 Satelliten ein. (6)

Darf aber die FCC oder ITU eine Genehmigung für die Nutzung des Weltraums erteilen? Eigentlich nicht. Die FCC genehmigt nur die Starts aus und den Betrieb in den USA nach der geltenden Gesetzgebung. Die ITU kann den Einsatz an sich auch nicht genehmigen, würde aber die erforderlichen Frequenzen erteilen und darauf achten, dass es nicht zu Störungen anderer Himmelskörper kommt. Dabei achtet sie als internationale Einrichtung auch auf die Wahrung der Interessen anderer Staaten. (7)

Aber nicht nur SpaceX plant solche Satelliten-Netzwerke. Neben SpaceX arbeiten auch Telesat und Amazon (Projekt Kuiper) (8) an Breitband-Internetkonstellationen.

OneWeb plante ein Netzwerk aus 600 Satelliten, bevor diese Firma vor kurzem in Konkurs geraten ist. (9) Bei Telesat sind mindestens 292 Satelliten vorgesehen und bei Amazon 3236.

Der erste Start mit 60 Satelliten fand im Mai 2019 statt, am Mittwoch, 22.04.2020 wurden zum 7. Mal nochmal 60 Satelliten für das Projekt Starlink mit einer Falcon-9-Rakete ins Weltall geschossen. Somit kreisen jetzt 420 Starlink-Satelliten im Orbit (10).

Eine Gruppe äußert sich besorgt, das sind die Astronomen. In den Medien ist zu erfahren, dass das Projekt auf Kritik von Seiten der Astronomen stösst, besonders in zwei Punkten: die mögliche Entstehung und Anhäufung von Weltraumschrott und die Störung des Nachthimmels, durch die die Sicht des Himmels beeinträchtigt wird. Auch könnten die zur Datenkommunikation eingesetzten Funksignale radioastronomische Beobachtungen stören.

Die Astronomen haben einen Appell gestartet: https://astronomersappeal.wordpress.com/

Dort findet man aber auch weitere kritische Punkte, unter anderem einen, der kaum in den Medien thematisiert wird, nämlich die Wirkung solcher Technologie auf die Umwelt und die Gesundheit des Menschen:

«Die FCC (Federal Communications Commission) steht kurz vor der Verabschiedung einer neuen Regelung über die kumulativen Auswirkungen von RFR (Radio Frequency Radiation), die für Bodenstationen gilt. (Unser Teammitglied, der australische Anwalt Ray Broomhall, ist außerordentlich besorgt über die Strahlung von Magnetfel- dern […]). Wir bitten die FCC und SpaceX, die kumulativen Auswirkungen von RFR sowohl bei den Uplinks (von den Bodenstationen zu den Satelliten) als auch bei den Downlinks (von den Satelliten zu den Basis- und Bodenstationen) zu berücksichtigen. Wir haben keine von Fachkollegen überprüften veröffentlichten Studien über die kumulativen gesundheitlichen Auswirkungen anhaltender RFR-Exposition durch Satelliten auf Menschen, Pflanzen und Tiere gefunden. Im Falle von Einzelkäufern von SpaceX-Benutzer-Terminal-Bodenstationen behaupten wir, dass die Risiken zunehmen, weil (auf der Grundlage unserer Forschung) jede Bodenstation in ständiger gleichzeitiger Kommunikation mit mehreren Satelliten steht, so dass die Bodenstationen wahrscheinlich mehr RFR aussenden und somit mehr strahlen werden, insbesondere bei schlechtem Wetter.»11

Auch der internationale 5G-Space-Appell erklärt sehr genau, welche ernsten Risiken dieses Projekt für die Erde nach sich zieht. Hier der Link zum Weltraum-Appell, um 5G auf der Erde und im Weltraum zu stoppen: https://www.5gspaceappeal.org/the-appeal

Wer ist Elon Musk?

Elon Reeve Musk (geboren am 28. Juni 1971 in Pretoria) ist ein aus Südafrika stammender, kanadisch-US-amerikanischer Unternehmer. Musk ist durch seine Beteiligung an der Gründung des Online-Bezahlsystems PayPal sowie mit dem privaten Raumfahrtunternehmen SpaceX und dem Elektroautohersteller Tesla bekannt geworden. Er ist zur Zeit einer der vermögendsten US-Amerikaner und auf Platz 12 auf der Liste der reichsten Menschen im Technologiesektor.

Aussagen von Elon Musk(12)

  • Musk hat gesagt, dass sich die Ziele von SpaceX, Tesla und SolarCity um seine Vision drehen „die Welt zu verändern und der Menschheit zu helfen“. Zu seinen Zielen gehören die Reduktion der globalen Erwärmung durch nachhaltige Energieproduktion und nachhaltigen Energieverbrauch, sowie die Verringerung des Risikos menschlichen Aussterbens durch die Errichtung einer menschlichen Kolonie auf dem Mars.
  • Schicksal und Religion: Auf die Frage, ob er glaube, dass der Übergang der Menschheit zu einer multiplanetaren Spezies „eine Art Schicksal und nicht nur Physik“ mit sich bringe, antwortete Musk: «Ja schon. Aber ob ich glaube, dass es eine Art Meisterintelligenz gibt, die all dieses Zeug entwickelt hat? Ich denke, wahrscheinlich nicht, denn dann müsste man fragen: «Woher kommt diese Meisterintelligenz?»– Die Frage würde sich stellen. Ich glaube also, dass man das wirklich mit den fundamentalen Gesetzen der Physik erklären Man weiss, dass es sich um ein komplexes Phänomen aus einfachen Elementen handelt.»
  • Musk wurde von Isaac Asimovs Foundation-Zyklen (13) beeinflusst und betrachtet die Erforschung des Weltraums als einen wichtigen Schritt zur Bewahrung und Erweiterung des Bewusstseins des menschlichen Lebens. Musk sagte, dass multiplanetarisches Leben als eine Absicherung gegen Bedrohungen des Überle- bens der menschlichen Spezies dienen könnte.
  • «Ein Asteroid oder ein Supervulkan könnte uns zerstören und wir sind Risiken ausgesetzt, die selbst die Dinosaurier noch nie gesehen haben: Ein künstlicher Virus, die versehentliche Erzeugung eines Mikro-schwarzen-Lochs, eine katastrophale globale Erwär- mung oder eine bisher unbekannte Technologie könnten unser Ende bedeuten. Die Menschheit hat sich über Millionen von Jahren entwickelt, aber in den letzten sechzig Jahren haben Atomwaffen das Potenzial geschaffen, uns selbst auszulöschen. Früher oder später müssen wir das Leben über diese grüne und blaue Kugel hinaus ausdehnen – oder »

Die Worte von Elon Musk sind paradox: «Ein künstlicher Virus […] oder eine bisher unbekannte Technologie könn- ten unser Ende bedeuten. Früher oder später müssen wir das Leben über diese grüne und blaue Kugel hinaus aus- dehnen – oder aussterben.» Er scheint, ohne sich dessen bewusst zu sein, die Lösung zu suchen für die katastrophalen Folgen, die sein eigenes Projekt verursachen wird. Elon Musk möchte jede Metropole und jede noch so abgelegene Berghütte der Welt mit erschwinglichem Breitband-Inter- net aus dem All beglücken und das auch aus humanitären Gründen, nur fragt er sich offensichtlich nicht, ob alle Menschen seine Vision für eine bessere Welt teilen und ob alle Menschen so etwas wollen.

Zur Zeit wehren sich so viele Menschen überall in der Welt gegen die mit Zwang durchgesetzte 5G-Technologie. Es gibt genug Forschung, um zu wissen, dass eine solche Technologie verheerende Folgen für die Umwelt und die menschliche Gesundheit haben wird. Viele Menschen, die an der heutigen Technologie 3G, 4G und 5G gesundheit- lich leiden, haben nichtdestotrotz bis jetzt immerhin die Möglichkeit gehabt, eine Lücke auf der Erde zu finden, die noch frei von diesen Emissionen ist. Mit einem derartigen Projekt wäre ein solcher Ausweg unmöglich.

Der Physik-Nobelpreisträger und Exoplanetenentdecker Didier Queloz schrieb auf Twitter: «Technologisch gesprochen demonstriert SpaceX eine beeindruckende Reife, versagt aber leider bei seiner Verantwortung für die Wissenschaft und die Erdenbürger. Der Himmel gehört der Menschheit. Der Zugang sollte allen gewährt werden. @elonmusk, ich bitte Sie dringend, Ihre Verantwortung ernster zu nehmen.» (14)

Wem gehört der Himmel? Gehört er uns? Oder auch nicht? Oder ist die Frage vielleicht nicht die richtige? Auch wenn heute die Menschen öfters den Kopf gebeugt haben, um auf das Handy, statt in den Himmel zu schauen, ist der Mensch immer noch untrennbar mit dem Sternenhimmel verbunden. Immer hat der Mensch den Blick gen Himmel gerichtet, hat seinen kosmischen Ursprung erahnen können und etwas wie eine höhere Ordnung gespürt, an der er teilhaben kann. Diese Hülle des Unendlichen über sich, die ihn umgibt und an etwas Übergeordnetes anschließt, war immer für den Menschen Quelle der Andacht, der Inspiration, der Hoffnung, der Weite und der Gefühle der Freiheit gegenüber der Begrenztheit des Irdischen.

Gerade das war der Kontrast, den ich erlebte beim Erblicken der unendlichen Weite des Nachthimmels mit seinen tausenden von glitzernden Sternen und den plötzlich auftauchenden Satelliten, die sich zwischen Himmel und Erde hineinschoben, und die mit ihrer automatischen Bewegung eine Begrenztheit ins Unendliche bringen – man könnte sagen, eine Entweihung des Himmels.

Wenn dieses Projekt Realität wird, was werden Kinder und zukünftige Generationen beim Blick in den Himmel erleben?

Hoffentlich gelingt es, dass viele Menschen sich dafür einsetzen, dieses Projekt nicht so weit kommen zu lassen. Die Hoffnung basiert auf der realen – wenn auch im alltäglichen nicht immer sichtbaren – Tatsache, dass es eigentlich die ganz normalen Bürger sind, die die Fähigkeit haben, Berge zu versetzen, wenn sie sich für ein Ziel zusammenfinden.

Der Artikel wurde zuerst veröffentlicht im Magazin Kernpunkte Jg. 3 | No. 5:

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