Artikel

Warum die SaferPhone-Volksinitiative bald nach dem Start zurückgezogen wurde

Kaum hatte im September 2022 die Unterschriftensammlung der SaferPhone-Volksinitiative begonnen, wurde sie wieder eingestellt. Kein Wunder, dass weitherum Enttäuschung laut wurde. Die Medienmitteilung vom 6.12.2022, verfasst von den Nationalratsmitgliedern des Initiativkomitees, deutete das Motiv des vorzeitigen Rückzugs an. Seither wünschten viele, Genaueres darüber zu erfahren.

Der Entwurf des Initiativtextes war 2021/22 in einem viele Monate dauernden, aussergewöhnlich intensiven Prozess vom Kernteam des Trägervereins FREQUENCIA zusammen mit den Nationalratsmitgliedern des Initiativkomitees weiter bearbeitet worden. An der Medienkonferenz vom 12. September wurde – ebenfalls gemeinsam – der Startschuss für die Unterschriftensammlung gegeben.

Noch am gleichen Tag berichteten Radio und Fernsehen sowie Zeitungen in ihrer Online-Ausgabe kurz und sachgerecht über die Initiative.

Kritik einer regionalen Gruppe der Grünen

Ebenfalls mit Datum des 12.9. stellte sich das Grüne Bündnis Bern auf seiner Webseite überraschend gegen den Beschluss der eigenen Landespartei der Grünen Schweiz, die Initiative zu unterstützen. Zwar erklärte es sich mit den Zielen der Initiative einig, begründete aber seinen Entzug der Unterstützung mit der Veröffentlichung angeblich "demokratie- und wissenschaftsfeindlicher Texte und Videos" auf der FREQUENCIA-Webseite. Als Beispiele zitierte es eine unter der Rubrik FAQ (Frequently Asked Questions = häufig gestellte Fragen) gegebene Antwort, ausserdem das Video-Transkript der an der Berner Stop5G-Kundgebung vom 21. September 2019 gehaltenen Ansprache eines elektrosensiblen Redners.

Der Vorwurf der Demokratie- und Wissenschaftsfeindlichkeit ist leicht zu entkräften, wenn man sich mit dem Thema näher befasst:

  • Die kritisierte FAQ-Antwort zum Thema "Schädlichkeit der Strahlung" ist zum einen durch viele wissenschaftliche Arbeiten belegt, zum andern spiegelt sie das umfangreiche umweltmedizinische Erfahrungswissen. Damit widerspricht sie allerdings der öffentlich wahrnehmbaren Wissenschaftsmeinung, die unter dem Einfluss der Mobilfunkbetreiberschaft steht und mit der "Strategie digitale Schweiz" des Bundesrates konform geht.
  • Die an der Stop5G-Kundgebung gehaltenen Reden repräsentierten die ganze Bandbreite von sachlichen Darlegungen bis zur emotionellen Anklage eines von der Strahlung direkt Betroffenen. Kennt man hoch elektrosensible Menschen persönlich, so weiss man, was sie täglich zu erleiden haben. Ihre Empfindungen, die sie etwa angesichts des unaufhaltbaren Ausbaus der 5G-Netze haben, kann man nachvollziehen.

Reaktion des Initiativkomitees sowie der Medien auf die Kritik

Im Initiativkomitee sahen sich die Nationalratsmitglieder zu raschem Handeln veranlasst. Es kam zum Beschluss des Komitees, FREQUENCIA als bisherigen Trägerverein zu ersetzen durch eine neu aufzubauende Trägerschaft der Initiative. In einer Medienmitteilung vom 20. September wurde die Absicht eines solchen "Reset" bekanntgegeben.  

Am 22. September folgte eine zweite Welle von Zeitungsartikeln zum Thema SaferPhone-Initiative. Darin wurden einerseits kritische Stimmen, andererseits von den Redaktionen in Telefoninterviews erfragte Antworten von Mitgliedern des Initiativkomitees wiedergegeben. So weit, so gut. Doch wiederum stand die Behauptung der "Unwissenschaftlichkeit" und neu auch diejenige von "Verschwörungstheorien" im Raum, ohne dass der Sache auch nur ansatzweise auf den Grund gegangen worden wäre. In vereinzelten Artikeln wurden sogar altbekannte, wissenschaftlich bzw. umweltmedizinisch längst widerlegte Falschbehauptungen wiederholt, wie z.B. diejenigen, dass es für die Gefährlichkeit von Mobilfunkantennen keine wissenschaftlichen Nachweise gebe, oder dass das Leiden der Elektrosensiblen psychisch motiviert, das heisst eine blosse Folge der Angst vor Elektrosmog sei.

Der Versuch, eine neue Trägerschaft der Initiative aufzustellen, scheiterte. Am 6. Dezember 2022 meldete das Initiativkomitee der Bundeskanzlei, dass es die SaferPhone-Volksinitiative vorzeitig zurückziehe. Die Unterschriftensammlung wurde abgebrochen. Leider konnten nur diejenigen Personen darüber benachrichtigt werden, von deren E-Mail-Adressen FREQUENCIA Kenntnis hatte.

Gespaltene Haltung in der Politik

Seit den Abstimmungsergebnissen im Ständerat von 2016 und 2018, wo jeweils eine knappe Mehrheit gegen eine Erhöhung der Mobilfunkgrenzwerte war, ist offensichtlich geworden, dass es innerhalb der meisten grossen politischen Parteien zwei Gruppen gibt mit unterschiedlichen Ansichten über die Gesundheitsschädlichkeit des Elektrosmogs, insbesondere der Mobilfunkstrahlung. Es herrscht eine zunehmende Polarisierungstendenz in der Bevölkerung, einerseits in der Richtung einer Technikbegeisterung, die negative Effekte ignoriert, andererseits in der Richtung wachsender Bedenken über schädliche Auswirkungen unserer technischen Zivilisation.

In diesem Spannungsfeld standen innerhalb ihrer Partei auch die Nationalrätinnen und Nationalräte des Initiativkomitees. Ein Rücktritt von Einzelpersonen aus einem Initiativkomitee ist gemäss den amtlichen Vorschriften nicht möglich. So blieb keine andere Wahl als der Rücktritt des gesamten Komitees zusammen mit dem vorzeitigen Rückzug der Initiative.

Dokumente

Medienmitteilung zum Sammelstart vom 12.09.2022 (PDF)

Redetexte der Medienkonferenz vom 12.09.2022 (PDF)

Medienmitteilung "Reset" vom 20.09.2022 (PDF)

Medienmitteilung zum vorzeitigen Rückzug der Initiative vom 06.12.2022

Icon X

Suche

Dürfen Cookies gespeichert werden?
Datenschutzbestimmungen anzeigen
Cookies annehmen