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Die SaferPhone-Volksinitiative bleibt trotz vorzeitigem Rückzug brandaktuell

Im September 2022 begann die Unterschriftensammlung für die eidgenössische Volksinitiative «Schutz vor Mobilfunkstrahlung – Fortschritt für Gesundheit und Umwelt (Saferphone-Initiative)». Ziel war, den Gesundheitsschutz vor nichtionisierender Strahlung (NIS), populär "Elektrosmog" genannt, in der Bundesverfassung zu verankern – als Grundlage für ein Gesetz, mit welchem durch die konsequente Einhaltung des Vorsorgeprinzips die Strahlenbelastung für Mensch, Tier und Umwelt eingedämmt würde. Gerade auch die Infrastruktur des Mobilfunks sollte endlich gesundheitsverträglicher und nachhaltiger werden.

Mit möglichst tiefen Funksendeleistungen, kurzen Funkdistanzen und einer guten Kabelversorgung aller Gebäude zur Minimierung der Strahlenbelastung im Gebäudeinnern schlug die Initiative Grundsätze vor, die breit anerkannt sind und die Telekommunikation im umfassenden Sinn zukunfts-fähig machen könnten. Mit dem alten Mobilfunkkonzept, das hohe Sendeleistungen benötigt, damit die Strahlung bis zuhinterst in die Gebäude dringt, sind die Kapazitätsgrenzen vielerorts erreicht. 5G und adaptive, d.h. auf das Handy fokussierende Antennen sind nicht die Patentlösung, sondern bloss mehr vom Gleichen – trotz raffinierterer Technik. Mit dem alten Konzept wird der Spitzenstrahlungspegel stetig weiter ansteigen.

Sollte das per Funk übertragene Datenvolumen dank der emsig angetriebenen Angebot-und Nachfrage-Spirale weiterhin stark zunehmen, wird der Gesundheitsschutz das Nachsehen haben. Und bei der künftigen Einführung immer höherer Sendefrequenzen mit den benötigten zahllosen zusätzlichen Antennen käme es dazu, dass die jetzt schon begrenzten Einsprachemöglichkeiten der Bevölkerung noch ganz unterbunden würden, damit die Netze überhaupt ausgebaut werden können.

Breite Unterstützung zeugte von der Qualität der SaferPhone-Initiative

Die Initiative war in intensiver Zusammenarbeit von Persönlichkeiten aus Technik, Medizin, Rechtswesen und Politik entstanden. Sie wurde vom Verein FREQUENCIA koordiniert und von der Schweizer Partei der Grünen unterstützt. Das Initiativkomitee und das Unterstützungskomitee waren überparteilich zusammengesetzt.

Die Medienkonferenz zur Lancierung von Initiative und Unterschriftensammlung fand am 12. September 2022 im Medienzentrum des Bundeshauses in Bern statt. Massgeblich beteiligt waren zwei Nationalrätinnen und ein Nationalrat von den Grünen und der SP.

Der vorzeitige Rückzug der SaferPhone-Volksinitiative

Aus dem Anlass dieser Medienkonferenz veröffentlichten die Leitmedien Berichte, die im Wesentlichen auf dem Text der Medienmitteilung basierten. Zugleich meldete sich jedoch eine regionale Gruppe der Grünen mit einer Kritik unerwarteter Art. Diese war ausdrücklich nicht gegen die Initiative, sondern gegen deren Trägerverein FREQUENCIA gerichtet. Da beschloss das Initiativkomitee, eine eigenständige Trägerschaft zu gründen. Am 20. September veröffentlichte es eine entsprechende Medienmitteilung. Unmittelbar danach folgte eine zweite Welle von Zeitungsartikeln mit teils massiven Vorwürfen gegen FREQUENCIA.

Nach intensiven, während mehrerer Wochen geführten Gesprächen wurde klar, dass der Versuch, eine andere Trägerschaft aufzustellen, gescheitert war. Am 6. Dezember 2022 wurde die SaferPhone-Volksinitiative vorzeitig gestoppt. Die Unterschriftensammlung wurde abgebrochen.

Frühere Volksinitiativen zeigten bereits die Dringlichkeit des Themas

Schon drei gesundheitlich motivierte eidgenössische Volksinitiativen zum Thema waren am Nichterreichen des Sammelziels gescheitert, nämlich die Initiative für ein 3G-Antennenmoratorium von 2003 sowie die Initiative "Für einen gesundheitsverträglichen und stromsparenden Mobilfunk" und die "Mobilfunkhaftungsinitiative", beide von 2019. Das durfte nicht nochmals geschehen. Deshalb suchte das Initiativteam von FREQUENCIA parteipolitische Unterstützung und erhielt sie auch.

Die Stimmung in der Politik und im Parlament ist in dieser Sache zweigeteilt. 2016 und erneut 2018 stimmte im Ständerat jeweils eine knappe Mehrheit gegen eine Erhöhung der Mobilfunkgrenzwerte. Im Nationalrat hatte diejenige Seite die Mehrheit, welche die Priorität dem technischen Fortschritt und der wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit der Schweiz gab. Den Schutz der Gesundheit vor elektro-magnetischer Strahlung durch die Grenzwerte erachtete diese Mehrheit anscheinend als ausreichend. Dass dieser Schutz nicht genügt, zeigt die umweltmedizinische Praxis und wird durch ernst zu nehmende wissenschaftliche Hinweise bestätigt. Auch laut Umfrage des Schweizer Umweltpanels der ETH Zürich von 2020 zum Thema 5G fühlt sich "… mehr als die Hälfte der Befragten nicht aus-reichend vor Strahlung geschützt."

Ausblick

Trotz des vorzeitigen Rückzugs der SaferPhone-Initiative bleiben deren Vorschläge durchwegs gültig. Die Zusammenarbeit der beteiligten Interessengruppen war fruchtbar; das kommt in dem treffend verfassten und zukunftsweisenden Initiativtext zum Ausdruck. Angesichts der Bedeutung des äusserst komplexen Themas ist klar, dass eine breite Bewusstseinsbildung über die Auswirkungen der nichtionisierenden Strahlung auf Mensch, Tier und Pflanze nottut. Das Anliegen von FREQUENCIA ist weiterhin die Verbreitung von Informationen in der Bevölkerung, damit diese Bewusstseinsbildung stattfinden kann.

Dokumente

Medienmitteilung zum Sammelstart vom 12.09.2022 (PDF)

Redetexte der Medienkonferenz vom 12.09.2022 (PDF)

Medienmitteilung "Reset" vom 20.09.2022 (PDF)

Medienmitteilung zum vorzeitigen Rückzug der Initiative vom 06.12.2022

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Zum Inhalt der gestoppten SaferPhone-Volksinitiative

Wozu die SaferPhone-Initiative?

Der Gesundheitsschutz vor der nichtionisierenden Strahlung (NIS), umgangssprachlich Elektrosmog genannt, sollte endlich in der Bundesverfassung verankert werden, und zwar im Art. 118 Schutz der Gesundheit, wo bereits der Schutz vor radioaktiver (ionisierender) Strah-lung enthalten ist. Die Initiative wollte das Vorsorgeprinzip stärken, eine möglichst tiefe Strahlenbelastung für Mensch, Tier und Umwelt garantieren sowie eine nachhaltigere Kommunikationsinfrastruktur fördern.

Was verlangte die Initiative?

Anlagen und Geräte sollten den Grundsatz der technisch und betrieblich tiefstmöglich erreichbaren Exposition einhalten. Gebäude sollen grundsätzlich per Kabel mit Telekommunikationsdiensten versorgt werden. Die drahtlose Datenübertragung soll über möglichst kurze Funkstrecken erfolgen. – Die Übergangsbestimmungen sollten bis zur Inkraftsetzung der Ausführungsbestimmungen eine Einführung der Millimeterwellen für den Mobilfunk sowie eine weitere Schwächung des heutigen Schutzniveaus unterbinden.

Was sollte die Initiative bewirken?

Die neuen, immer potenteren Mobilfunk-Generationen fordern, dass die Infrastruktur im Fernmeldebereich umgestaltet wird. Mit einem leistungsfähigen Glasfasernetz, der Versorgung der Innenräume über das Festnetz und dem Vermeiden unnötiger Gebäudedurchstrahlung sollten die Telekommunikationsanbieter zu Innovation und Nachhaltigkeit im Netzausbau verpflichtet werden. Geringere Strahlung bedeutet weniger Gefährdung, was technisch durch möglichst kurze Übertragungsdistanzen und möglichst wenig Durchdringung von Wänden erreicht wird. Die Initiative war technologieneutral formuliert und behinderte kei-ne Entwicklung – im Gegenteil.

Warum braucht es eine solche Initiative?

Seit den Neunzigerjahren nimmt die Zahl der von Funkstrahlung gesundheitlich Betroffenen zu. Ärztegruppierungen warnten und warnen international immer wieder davor. Die Schwei-zer Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (AefU) forderten schon vor 20 Jahren eine vor-sorgliche Senkung des Grenzwertes für Mobilfunkanlagen auf einen Zehntel. Eine zum Thema 5G im Jahr 2021 veröffentlichte, repräsentative Umfrage des Schweizer Umweltpanels der ETH Zürich mit über 7’000 Teilnehmenden zeigt denn auch, dass sich eine Mehrheit Sorgen über die gesundheitlichen Auswirkungen von Mobilfunk macht.

Umgekehrt wollen die Mobilfunkbetreiber schon lange eine Erhöhung desselben Grenzwertes erreichen. Jetzt hatten sie Erfolg: Der Bundesrat hat 2022 einen "Korrekturfaktor" einge-führt, der eine massive reale Überschreitung des – nominell unveränderten – Vorsorge-Grenzwertes erlaubt. So ist kurzfristig der Ausbau der 5G-Mobilfunknetze nach dem alten Konzept für die Industrie billiger zu haben als mit einer Richtungsänderung im Sinne einer nachhaltigen Infrastruktur mit Glasfaser und kurzen Funkverbindungen. Die Preispolitik in der Telekommunikation zementiert das Beharren auf dem Bisherigen zusätzlich, denn sie schafft den Fehlanreiz, sich auch zu Hause per Mobilfunk statt per Festnetz zu verbinden. Die Anbieter geben selber den Anstoss zu den von ihnen beklagten Kapazitätsengpässen.

Rund 80 Prozent der mobilen Bild- und Tondaten wird zwischen Innenräumen und Anten-nenmasten hin und her gefunkt – durch Wände hindurch und um Ecken herum. Zudem wird der grösste Teil der Datenübertragungskapazität vom Videostreaming beansprucht. Aber das Glasfaserkabel ist für das Streaming im Vergleich zu 5G mehr als doppelt so energieeffi-zient. Es kann grössere Datenmengen schneller übertragen, sendet keine gesundheitsgefährdende Strahlung aus und braucht weniger Energie.

Alles Gründe für einen Vorstoss, wie ihn die SaferPhone-Volksinitiative führen wollte.

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